Motobecane „Tour de France“, 1972

Mit dem „Team BIC“ in typischem Orange wagte Motobecane Anfang der 70er Jahre den Sprung an die Spitze der internationalen Rennszene. Nach einem Teamsieg bei der 71er Tour konnte Luis Ocaña die 73er Tour auf Motobecane für sich entscheiden. Die bei diesen Siegen genutzten Teamräder entstanden in einer eigenen, kleinen Abteilung, dem „atélier artisanale“, welches auch für Privatleute, auf Bestellung und nach Maß, fertigte. Komplett mit Campagnolo und Cinelli ausgestattet, sind Rahmen und Gabel aus Reynolds-531-Rohr gefertigt. Motobecane bewies damit, dass auch eine als Massenhersteller bekannte Firma durchaus siegfähige Rennvelos fertigen konnte.
Die sorgfältige Verarbeitung des hier gezeigten Exemplars zeugt von der Liebe zum Detail und ist eine direkte Hommage an die unvergessene „BIC-Ära“.

Ausschnitt aus einem Faltblatt aus 1973, welches ausschließlich die Modelle „sur mesure“ vorstellte.
Ausschnitt aus dem 1981er Händlerkatalog. Dieses war das letzte Jahr, in welchem das Modell „Tour de France“ angeboten wurde.

Spezifikationen

  • Rahmen: Reynolds 531 full 5/10, Ausfallenden Campagnolo 1010/A, auf Maß handgearbeitet mit beschliffenen Muffen
  • Schaltwerk: Campagnolo Nuovo Record, Typ 1020/A
  • Umwerfer: Campagnolo Nuovo Record, Typ 1052/1
  • Innenlager: Campagnolo Record, Typ 1046/A
  • Tretkurbelsatz: Campagnolo Record, Typ 1049
  • Pedale: Campagnolo Record, Typ 1037
  • Pedalriemen: Alfredo Binda
  • Pedalhaken: Christophe Special 496, altes Logo
  • Bremsen: Campagnolo Record, Typ 2000/2001
  • Bremshebel: Campagnolo Record, Typ 2030
  • Steuersatz: Campagnolo Record, Typ 1039
  • Sattelstütze: Campagnolo Record, Typ 1044, 26.8mm, geflutet durch Motobecane
  • Schalthebel: Campagnolo Record, Typ 1014
  • Schaltseilführung: Campagnolo, Typ 626/A
  • Oberrohrschellen: Campagnolo, Typ 649
  • Sattel: Cinelli Unicanitor
  • Vorbau: Cinelli 1A, ausgefräst durch Motobecane
  • Lenker: Cinelli Giro d’Italia
  • Naben: Campagnolo Record Hochflansch, Typ 1035, 36L
  • Felgen: Mavic Monthlery Route
  • Kette: Sachs-Sedis Grand Tourisme GT7S
  • Zahnkranz: Regina Oro, 6-fach
  • Reifen: Vittoria Rally
  • Gesamtgewicht: 9,90kg (ohne Flasche)

Dieses Velo markiert den Anfang meiner Rennrad-Leidenschaft und kam im Frühjahr 2017 in ziemlich verwahrlostem Zustand zu mir. Der junge Vorbesitzer hatte den originalen Lenker nebst Bremsgriffen (mit Originalbearbeitung von Motobecane) gegen einen Flatbarlenker mit Schalt-Bremshebelkombi getauscht und die Originalteile entsorgt!

Da der Rahmen deutlich mehr Zeichen 20-jähriger, unsachgemäßer Kellerlagerung denn durch sachgemäßen Gebrauch trug war eine Neulackierung schon „Pflicht“. Die dann verwendeten Decals sind Nachdrucke, nur das Steuerrohremblem konnte ich retten und die Unterrohr-Decals fand ich per Zufall als Original im Web.

Motobecane-Velos wie dieses, aus dem „atélier artisanale“, sind sehr rar und entsprechend selten zum Kauf angeboten. Mancher Edelrenner z.B. italienischer Herkunft ist häufiger zu finden. Da Motobecane hierzulande jedoch jahrzehntelang nur als Massenhersteller wahrgenommen wurde, lagen diese Velos lange außerhalb des Fokus der Sammlergemeinde. Inzwischen jedoch wird die Historie, und damit auch der Wert, dieser Velos erkannt und selbst in Frankreich sind die Preise zwischenzeitlich deutlich angezogen. Sollte einem eines dieser Velos angeboten werden sollte man nicht zögern das Angebot anzunehmen.